«Ich kann mir unter „innerer Leere“ wenig vorstellen», sagt Michael. «Ich kenne diesen Zustand nicht. Ich kann mir nicht erklären, warum daraus der Zwang entsteht, sich Schmerzen zuzufügen.»
Maya denkt nach. Sie weiß nicht, ob es sinnvoll ist, mit ihm darüber zu reden. Außenstehende begreifen es oft nicht. Dann rafft sie sich auf: «Obwohl ich es schon fast mein ganzes Leben lang kenne, ist es nicht leicht zu beschreiben. Ich kann mir dieses Gefühl kaum selbst erklären. Wenn ich mich innerlich leer fühle, frage ich mich oft, wer ich eigentlich bin und was ich gerade mache. Ich stelle dann alles infrage, nicht nur mein Selbstbild, sondern mein ganzes Leben, meine Existenz, mein Dasein auf der Erde.»
«Auch unsere Beziehung?», unterbricht Michael.
«Auch die. Sie ist Teil meines Lebens. Aber, und das wird dir nicht gefallen, sie ist im Vergleich zu allem anderen unbedeutend», fährt Maya fort. «Ich denke in solchen Phasen oft über den Sinn meines Lebens nach. Ich fühle mich unvollständig und suche verzweifelt nach dem fehlenden Teil, ohne zu wissen, wie das aussieht. Wenn ich in dieser Lage überhaupt fähig bin, zu denken, sind die Gedanken fast immer negativ. Ich kann sie nicht kontrollieren, weil sie keine Ordnung haben. Das Gefühl kommt urplötzlich. Ich bin dann grundlos niedergeschlagen und weiß nicht mehr weiter. Vor allem aber fühle ich mich alleine. Dabei spielt es keine Rolle, ob ich physisch alleine bin oder mit anderen zusammen. Es könnte auch passieren, wenn wir zusammen sind. Ich finde unsere Beziehung schön und positiv, aber ich könnte mich nicht dagegen wehren, mich allein zu fühlen. Ich könnte mit dir zusammenziehen. Wir könnten ein perfektes, unzertrennliches Paar werden. Trotzdem könnte ich mich alleine fühlen.»
Sie hält inne, überlegt erneut. Dann sagt sie: «Das Gefühl innerer Leere lässt sich wie ein schwarzes Loch beschreiben, das mich komplett aussaugt. Ich bin dann einfach leer. Etwas zu spüren oder zu fühlen, ist mir fast nicht möglich. Eine Riesenlücke tut sich in mir auf und ich kann nicht erklären, wie sie entsteht. Ich fühle mich wie tot, wie eine Hülle ohne Inhalt.»
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