Im Schlafzimmer wirft Maya ihr Notebook wütend auf das Bett und lässt sich daneben fallen. Sie starrt lange Zeit die Wand an. Die jüngsten Ereignisse nagen an ihr. Wie so oft hat sie das Gefühl, nicht auf diese Welt zu gehören. Und wie so oft stellt sie sich die Frage, auf die sie seit vielen Jahren keine zufriedenstellende Antwort findet: Welchen Sinn hat ein Leben wie das ihre? Erst als es draußen schon so dunkel ist, dass sie den Kunstdruck, Frau in drei Stufen von Edvard Munch, an der dem Bett gegenüberliegenden Wand nur noch schemenhaft erkennen kann, ist sie ruhig genug, um sich wieder bewegen zu können. Sie nimmt ihren Rechner und startet das Mailprogramm. Das Postfach zeigt eine ungelesene E-Mail von Michael: «Na Süße, ich vermisse dich. Hattest du einen guten Tag?»
Maya antwortet: «Mein Tag heute war genau so schlecht wie der gestrige und der Tag davor. Da gab es erst eine Ablehnung vom Jobcenter. Dann war ich bei meiner Oma, die schon wieder im Krankenhaus liegt. Heute musste ich bei einem ekelhaften Schleimtypen wegen einer Stelle vorsprechen, und zu allem Überfluss habe ich mich vorhin mit Tim gestritten. Das hat mich wieder alles richtig runtergezogen. Vor allem der Besuch im Krankenhaus. Ich kann meine Oma nicht verstehen. Es muss schrecklich sein, nicht sterben zu wollen, wenn man weiß, dass der Körper verbraucht ist. Ich kann das gar nicht nachvollziehen. Ich fühle mich richtig mies, dass ich das Leben oft nicht will, es nicht lebe und mich nach dem Tod sehne.»
Sie zieht sich Schlafwäsche an, geht ins Bad. Als sie zurückkommt, ist eine Antwort eingetroffen. «Muss ich mir Sorgen machen?»
«Ich weiß nicht. Im Moment ist es so, dass ich morgens hoffe, dass der Tag schnell vorbei geht und kein weiterer folgt. Dummerweise fängt dann aber wieder ein neuer an.»
«Ich wünschte, ich könnte etwas für dich tun. Hältst du es bis zum Wochenende aus? Wir könnten uns dann treffen, damit ich dich auf andere Gedanken bringen kann.»
«Am Wochenende müssen wir mal sehen. Ich bin stimmungsmäßig an einem Tiefpunkt. Da fällt es mir schwer, Menschen um mich zu haben, Nähe zuzulassen und vor allem zu genießen. Eine Situation, die sicherlich schwierig werden wird, wenn wir uns sehen.»
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